1,1 Billionen Euro von der EZB – was ändern die? Nichts.

| 23. Januar 2015 | Keine Kommentare

Gestern hat die Europäische Zentralbank unter Mario Draghi die Geldschleusen geöffnet. Man wird jeden Monat für 60.000.000.000 Euro Staatsanleihen aufkaufen und schafft damit eine immense Liquidität.

Tatsächlich profitieren von dieser Maßnahme vor Allem die krisengeschüttelten „Warmwasserstaaten“ (Spanien, Italien, Griechenland und Frankreich), die können nämlich jetzt für höchstens 1,6 Prozent (10 Jahre Staatsanleihe, Italien) refinanzieren. So kauft man sich Zeit – löst aber nicht die zugrunde liegenden Probleme.

In Deutschland bleibt der „kleine“ Privatmann der Dumme, denn Lebensversicherungen und Spareinlagen werden dauerhaft weiterhin kaum Zinsen bringen. So kann man eine Kultur der Vorsorge nachhaltig zerstören und manch Häuslebauer noch um sein Lebensversicherungsfinanziertes Haus bringen.

Die jetzt in die Märkte gepumpten 1,1 Billionen Euro werden auf die Wirtschaftsentwicklung wenig Einfluss haben... (Foto Appearance/fotolia)

Die jetzt in die Märkte gepumpten 1,1 Billionen Euro werden auf die Wirtschaftsentwicklung wenig Einfluss haben… (Foto Appearance/fotolia)

Das Ziel hinter der erneuten Geldschwemme ist eigentlich auch das Ankurbeln der Wirtschaft und das Erzeugen einer Inflation. Draghi wörtlich „Wir sind überzeugt, dass die heute beschlossenen Schritte wirksam sind und die Inflation anheben“.

Eines hat man schon geschafft: Produkte aus Europa werden auf dem Weltmarkt billiger, weil der Euro jeden Tag etwas mehr an Wert verliert. Doch was man mit der Geldschwemme wieder nicht in Angriff nimmt, sind die Probleme der Mittelmeerstaaten, oft schon als Club Med verspottet.

Banken sollen das durch die Ankäufe der Staatsanleihen erhaltene Geld für Kredite verwenden und somit Investitionen der Wirtschaft ermöglichen. Zur Erinnerung, das sind zum Teil die Banken, die mit dem Kauf von Staatsanleihen aus Sanierungsgeldern in das volle Risiko gingen und dann heulend vor der EZB gestanden haben, als die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands publik wurde. Nicht dass man das nicht vorher schon wusste – ein Schelm, wer dabei Böses denkt.

Kommt uns das mit dem Ankurbeln der Wirtschaft durch großzügigere Kreditvergabe nicht bekannt vor?

Ja, so etwas hat man schon mehrfach vergeblich versucht. Tatsächlich haben die Banken das Geld lieber in spekulative Geschäfte gesteckt, an den Börsen gezockt und so versucht, das eigentlich geschenkte Geld zu vermehren. Manche auch sicher mit Erfolg, andere dagegen haben dieses „Spielgeld“ auch gleich wieder verzockt.

Traurig dabei ist, dass der Großteil der Wirtschaft – nämlich die kleinen bis mittleren Unternehmen in Süd-, Mittel und Nordeuropa von dieser Geldflut überhaupt nicht profitieren werden. Weil sie nämlich keine Kredite von ihrer Hausbank erhalten und somit aus dem gesamten Konjunkturprogramm (wie auch bei den letzten Maßnahmen dieser Art) ausgeschlossen bleiben.

Großunternehmen dagegen werden schon profitieren und damit noch größer und mächtiger werden. Denn diese sind mit den Banken oft so eng verknüpft, dass sie quasi jeden Betrag von ihrer Bank fordern können, wenn es auch nur halbwegs Sinn macht. Und so werden wir in den nächsten Monaten sicher die eine oder andere Übernahme sehen, bei der dann durch Syngergieeffekte einige tausend Jobs verloren gehen.

Wichtig, lieber Herr Draghi, wäre es, die kleinen Unternehmen mit Kapital auszustatten, damit diese investieren und wachsen können. So entstehen nämlich die gewünschten Arbeitsplätze.

Ich möchte mal ein Beispiel aus dem letzten Jahr bringen, welches bei mir nur Kopfschütteln verursacht hat. Eine Frau möchte ein Geschäft eröffnen und hat dazu aus eigenen Mitteln das Inventar und die Geschäftsausstattung des vorherigen Ladenbetreibers übernommen. Sie hat keinerlei Schulden, aber einen ordentlichen Warenbestand. Bei der Wirtschaftsförderung in Kassel erzählt man ihr von einer Fördermaßnahme, nach der sie 5000 Euro (ja, nur 5000 Euro) Förderung unbürokratisch und ganz schnell erhalten könne.

Die Ladenbesitzerin fährt nach Kassel zum Gespräch. Sie bringt eine Darstellung Ihres Geschäftsplans mit und hofft auf eine Genehmigung des Zuschusses. Mit den 5000 Euro soll ein Lieferwagen angeschafft werden. Vor Ort wird sie von einer resoluten Dame empfangewn, die ihr das Programm runterleiert, sich überhaupt nicht für das Geschäft der Frau interessiert und ihr dann 11 Formulare mit 50 Seiten überreicht, die gefälligst auszufüllen seien. Dazu müsse die jetzt „Antragstellerin“ noch drei Bürgen benennen, die wiederum auf Formularen ihre Bürgschaft für die volle Summe des nun nicht mehr Zuschusses sondern Darlehens dokumentieren.

Wenn sie alles zusammen habe, so beschied man ihr, dauere die Antragsbearbeitung nur acht bis zwölf Wochen… und so wurde sie entlassen.

Wie gesagt, es ging um 5000 Euro. Klar, dass diese Frau nie wieder die Wirtschaftsförderung in Kassel oder sonstwo aufsuchen wird und auf diese 5000 Euro dann verzichtet – es ist schlicht unverhältnismäßig bis sogar unverschämt, wenn Existenzgründer so behandelt werden.

Aus meiner Sicht wäre es nötig, die kleinen Unternehmen unbürokratisch zu fördern und Existenzgründern wirkliche Unterstützung zu bieten. Bei den Wirtschaftsförderungen hierzulande geht es zu sehr um Selbstdarstellung, bunt bedrucktes Papier und modernste Internetseiten, wenn man tatsächlich eine Förderung möchte, gibt es immer Gründe, warum das gerade nicht möglich ist.

Zum Beispiel ist die Vergabe von Krediten der KfW nur über die Hausbank möglich – nur blöd, dass die Hausbank sich für diese Kredite nicht interessiert und der Innovations- oder Investitionswillige Kunde wie ein Hamster im Laufrad ergebnislos in diesem Loop hängenbleibt. Oft ergibt sich erst nach Monaten der Anstrengung, dass kein Förderprogramm passt oder eine Finanzierung über die KfW auch ausfällt.

Ich habe jeden Tag Anrufe von Menschen, die eine mehr oder weniger innovative Geschäftsidee haben und dafür Unterstützung suchen.

In den meisten Fällen geht es tatsächlich final „nur noch“um Geld. Man braucht Geld, um das Produkt herzustellen, zumindest einen Prototypen – und da die Entwicklung auch nicht von jedem selbst gemacht werden kann, müsste man bestimmte Arbeiten fremdvergeben. Doch weil das Geld fehlt, ersticken diese Start-Ups bereits, bevor sie richtig angefangen haben. Frage ich, ob sie schon versucht haben, Geld bei der Bank zu erhalten, gibt es immer die gleiche Antwort „da gibt es doch nichts“. Und hier sprechen wir über Beträge, für die sich ein EZB-Banker nicht mal bücken würde.

Und so schlage ich den Bogen zurück zu den 1,14 Billionen Euro, die die EZB bis September 2016 in die Märkte pumpen will.

Haut das Geld nicht einfach raus, sondern sorgt zumindest dafür, dass auch Gewerbetreibende, Handwerker, kleine Unternehmen und Existenzgründer ausnahmsweise mal unterstützt werden.

Die kleinen Unternehmen in ihrer Gesamtheit sind nämlich die Stütze der Wirtschaft und nicht die steueroptimierenden Konzerne…

 

Markus Burgdorf

 

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Kategorie: Kommentar

Über den Autor ()

Markus Burgdorf ist ausgebildeter Journalist und PR-Berater. Er schreibt heute für Kunden, Medien und seine Webseiten.

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